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Ausgabe 1

Midnights Mirrorball

Der Countdown läuft. Es ist nicht mehr lang bis zum ersten Taylor-Swift-Konzert in Deutschland. Und ich habe noch keine Ahnung, was ich anziehen soll… Über die Freude an Mode, die Begeisterung für Musik und den Weg zu meinem „Taylor-Outfit”.

Fotos: Clara Ziechner, Grafiken: Ella Papen

Ein Swiftie zu sein ist nicht immer leicht. Knobeleien um versteckte Botschaften, sogenannte Eastereggs, in Musikvideos und das stundenlange Verfolgen körniger Livestreams, die die Konzerte von Taylor Swifts The-Eras-Tour zeigen, fordern Ausdauer und Willenskraft. Fans begleiten die rekordebrechende Sängerin mit einer Hingabe, die ihresgleichen sucht. Im Gegenzug werden sie mit musikalischen und lyrischen Meisterwerken belohnt. Ich per- sönlich bin seit 2014 gefesselt von Taylors Musik, verfolge sie also seit der 1989-Ära. Jede Ära umfasst ein Album in Taylor Swifts Diskografie und zeichnet sich durch eigene Sounds, Looks und thematische Schwerpunkte aus. Als vor über einem Jahr bekanntgegeben wurde, dass sie in diesem Sommer auch in europäischen Städten auf Tour gehen wird, stand für mich fest: Ich muss sie sehen. Beim Ticketverkauf hatte ich Glück, und so darf ich mich derzeit sogar auf zwei Konzertbesuche freuen.

Freundschafts-armbänder gehören am Ende zum Look auf der Eras-Tour dazu.

Die Warte- und Vorbereitungszeit besteht als Swiftie jedoch nicht aus Däumchendrehen – Freundschaftsarmbänder basteln sich schließlich nicht von selbst. Im Song You’re On Your Own, Kid fordert Taylor Swift ihre Hörer*innen metaphorisch dazu auf, die schönen Momente im Leben voll auszukosten, und spielt auf ihre beinahe freundschaftliche Verbindung zu den Fans an. Als Hommage ist das Tauschen selbstgemachter Armbändchen auf ihren Konzerten so zu einer liebenswürdigen Tradition geworden. Selbstverständlich gehören Freundschaftsarmbänder am Ende also zum Look auf der Eras-Tour dazu, aber woraus genau soll mein eigentliches Outfit bestehen? Es ist ganz klar, dass dem Konzert-Outfit (für mich) ein ganz besonderer Stellenwert zukommt, schließlich bietet dieser Rahmen doch die besten Voraussetzungen für kreatives Ausleben und den Ausdruck der Freude an Mode. Der Weg dahin ist jedoch nicht ganz leicht.

Clara hat jetzt einige neue Freund*innen.
Für die Konterbesucher*innen gab es LED-Armbänder.

Gedankenchaos
Hiiilfeeeeee. Seit fast einem Jahr warte ich auf das Näherkommen der Konzerttermine und kann es gar nicht abwarten, Taylor Swift endlich live zu sehen. Wider Erwarten verging die Zeit dann doch recht schnell – zwischen neuen Alben, Überraschungsfeatures und der stetigen Surprise-Song-Spannung. Und so stehe ich auch im Juni noch vor allerlei Fragezeichen rund um meine Outfitplanung. Es tut mir leid für alle größeren und kleineren Feierlichkeiten in 2024, aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass meine beiden Eras-Konzertbesuche die besten Tage in diesem Jahr markieren werden. Mit Abstand. Und vielleicht sogar für immer. In meiner persönlichen Life-Goals-Liste wüsste ich nicht viele Dinge, die „dieselbe Luft wie Taylor atmen” und „mit 70.000 anderen Menschen das zehnminütige All Too Well zum Besten geben” toppen würden.


Deshalb ist mir besonders wichtig, wie sich mein Look an diesen Tagen zusammensetzen wird. Und natürlich eröffnet mir ein Event dieses Ausmaßes unzählige Möglichkeiten, mein Outfit zu gestalten. Alles darf, nichts muss; das ist die Devise. Die Qual der Wahl überfordert mich leider trotzdem ein bisschen, und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Orientiere ich mich an der Ästhetik einer der elf musikalischen Ären, style ich einen der Looks nach, die Taylor in den vergangenen Jahren auf dem roten Teppich getragen hat, oder haue ich einfach so richtig auf die Kacke und trage genau die Stücke, die mir den Rest des Jahres zu schade sind?

Bunt, Glitzer, Cowgirlstiefel oder Federboa; und: Gibt es ein Zuviel?
Bereits auf den Konzerten von Taylors Kollegen Harry Styles haben wir gesehen, wie Mode ihren Beitrag dazu leisten kann, das Leben, die Liebe und die Musik zu feiern. Bei seinen Love-On-Tour-Auftritten entstand dank kreativer Fans eine Ästhetik der Farbenfreude und ein magischer Wohlfühlraum für alle. Es hat Spaß gemacht zu sehen, was sich die Konzertbesucher*innen Woche für Woche einfallen lassen haben, um auszudrücken, wie sehr sie Harrys Musik und ihr geteiltes Fandasein genießen. Pailletten, Colourblocking, Cowboyhüte, auffällige Muster und natürlich die Federboa, die auch das ein oder andere Outfit des Sängers auf der Bühne zierte, sind nur einige der Motive, die in den Outfits der Fans immer wiederkehrten.

Fans begleiten die rekordebrechende Sängerin mit einer Hingabe, die ihresgleichen sucht.


Auf Instagram und Tiktok zeigt sich, dass auch Swifties einen derartigen, ausdrucksstarken Stil in der Wahl ihrer Looks ausleben. Nicht selten orientieren sie sich dabei an den Outfits, die Taylor auf der Bühne trägt, beispielsweise mit Glitzer-Bodys, auf die jeder Stein einzeln aufgeklebt wird. Es ist beeindruckend zu sehen, mit welcher Leidenschaft Kleidungsstücke selbst verziert oder bemalt werden, um ganz einzigartige Teile zu schaffen – die dann teilweise nur an einem einzigen Abend getragen werden. Auch Stylings, die Taylor bei Auftritten auf dem roten Teppich präsentiert hat, dienen als Vorlage. Beispielsweise der kultige Look, den sie 2018 bei den American Music Awards anhatte. Zu einem hautengen kurzen Kleid kombinierte sie Stiefel, die bis zum Oberschenkel reichten – und sah dank tausender Pailletten von oben bis unten aus wie eine Diskokugel (engl. mirrorball, wie der Titel einer der Songs im Album folklore lautet). Besonders komfortabel dürfte dieses Outfit nicht gewesen sein, iconic war es aber allemal.

Was ich daraus mache
Da meine Alltagskleidung alles andere als farbenfroh-funkelnd ist, müssen definitiv ein paar neue Teile bei mir einziehen, damit ich ein Taylor-taugliches Outfit aufweisen kann. Um mir etwas Inspiration zu verschaffen und nebenbei wenigstens ein bisschen nachhaltig zu sein, habe ich also erst mal die Second-Hand-Plattform meines Vertrauens, Vinted, durchforstet. Unter den Suchbegriffen „Party Glitzer” und „Taylor Swift” machte ich also eine Bestandsaufnahme und war sofort begeistert von dem, was mir da geboten wurde. Tops oder Blazer in Pink, Jeansjacken mit Fransen und jede Menge Glitzer – das sah richtig gut aus. Schnell habe ich mir Teile abgespeichert und dabei langsam angefangen, darauf zu achten, was ich eventuell miteinander kombinieren könnte.

Neben einem komplett grün glitzernden Kleid gerieten mir nach und nach immer mehr Teile in Silber in den Blick. Diese Stücke weckten in mir die Erinnerung an Taylors oben erwähnten AMA-Look, den ich schon immer legendär fand. Eines Tages müssen sich dann alle Himmelskörper in genau der passenden Ausrichtung befunden haben, denn: Mir wurde ein Top angezeigt, das genau wie Taylors Kleid einen kleinen Stehkragen und lange Ärmel hat und über und über silber glitzert. Bingo. Natürlich habe ich nicht lange gefackelt, sondern die damalige Besitzerin direkt angeschrieben. Zum Glück war das Top noch verfügbar und wurde mir gern überlassen. Als ich es dann endlich in Händen hielt, passte es mir auch noch genau richtig. Bingo Nummer zwei.

Mir wurde ein Top angezeigt, das genau wie Taylors Kleid einen kleinen Stehkragen und lange Ärmel hat und über und über silber glitzert. Bingo.

Nach diesem ersten Glücksgriff war ich hooked und voller Motivation, den Look weiter zum Leben zu erwecken. Leicht abgewandelt allerdings – einen Rock zu finden, der so exakt zum Oberteil passt, dass eine Optik wie bei Taylors Kleid entsteht, erschien mir unrealistisch. Außerdem sollte das Outfit am Ende doch noch ein bisschen bequem bleiben.

Ein weiteres Stück, das quasi nur aus Pailletten besteht, war für mich daher keine Option. Was mir auf Vinted jedoch auch öfter mal begegnete, waren schwarze Röcke mit silberfarbenen Details. Meine Wahl fiel auf einen schlichten Minirock, der als Hingucker silberne Glitzerfransen hatte. Dazu kam mir die Vision, den Rock mit Aufnähern oder Strasssteinen selbst aufzupimpen – so, wie ich es auch bei anderen Swifties oft auf Instagram gesehen hatte. So veränderte sich die Ästhetik meines Outfits, das gerade entstand. Statt mich voll in eine Diskokugel zu verwandeln, geht der Look mit der Verzierung des Rocks und sternförmigen Ohrringen in eine etwas elegantere, mystischere Richtung. Auch diesen Stil hat man an Taylor schon gesehen, und zwar während ihrer Midnights-Ära. Zu Presseterminen und Preisverleihungen rund um ihr zehntes Studioalbum trug sie beispielsweise Dunkelblau- und Schwarztöne, Samt und Glitzer.

Das Outfit steht, die Vorfreude kurz vor dem Konzert ist riesig.

Mit der Verbindung dieser beiden Teile war ich sehr glücklich: Sie passen optisch gut zusammen und sind bequem genug, um darin im Juli und August zu Taylor abzutanzen. Und der Look ist einmalig, weil ich meine persönliche kreative Schaffenskraft reingesteckt habe. Der Weg zu meinem „Taylor-Outfit” hat mir die Zeit bis zum Konzert also auf alle Fälle versüßt, und die Teile werden mich hoffentlich für alle Zeiten an die Freude erinnern, die ich bei den Konzerten mit all den anderen Swifties teilen werde.

Info:
Wer ist Taylor Swift? …oder eher: Was ist Taylor Swift?
Menschlich kann sie eindeutig nicht sein, führt man sich ihre Errungenschaften und schier endlosen Ergüsse schöpferischer Genialität vor Augen. Auf welche Reise uns diese Frau insbesondere in den letzten Jahren mitgenommen hat, ist schlichtweg Wahnsinn. Allein seit 2021 hat sie zwei neue und vier neu aufgenommene Alben veröffentlicht, ist mit ihrem Eras-Tourprogramm bereits um die ganze Welt gereist, hat einen Kinofilm darüber produziert und arbeitet bekanntlich unterdessen bereits an der Veröffentlichung von Re-Record Nummer fünf und sechs. Um einmal die Dimensionen ihres Jobs zu verdeutlichen: Für die Eras-Tour-Konzerte steht sie zeitweise mehrmals wöchentlich für mindestens dreieinhalb Stunden auf der Bühne und performt über 40 Songs – und das schon seit März 2023. Ihr neuestes Studioalbum umfasst sage und schreibe 31 Songs. Mind = blown.
Die Verbindung zwischen Taylor Swift und ihren Fans ist eine ganz besondere. Ihre Karriere begann 2006, so machte sie mit den Swifties einige Lebensphasen und Meilensteine durch. Spendet Trost, teilt Gründe, gemeinsam wütend zu werden und liefert die musikalische Grundlage für nicht wenige Heiratsanträge (dank ihres Songs Love Story). Obwohl im Musikbusiness bereits ein alter Hase, scheint sie derzeit nur immer beeindruckender, beliebter und bedeutender zu werden. Mit der Eras-Tour erreicht ihr Ruhm derzeit seinen (anhaltenden) Höhepunkt und versetzt ihre Fans nachhaltig in Jubelstimmung.

Die Autorin:
Clara Ziechner (sie/ihr) begeistert sich für spontane Komplimente auf der Straße, Spieleabende und Bücher.

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Ausgabe 1

“Seid ihr gut drauf?” Unsere Lieblingskonzerte

Mannheim, 23.11.2015; München, 20.01.2018; München, 10.11.2022 – die Trinität aus Konzerten, die ich bisher von meiner Lieblingsband genießen konnte. Alt-J waren schon in der Schulzeit ein derart großer Teil meiner jugendlich ausgedachten Identität, dass ich andauernd von ihnen geredet habe. Dem dritten Konzert im Herbst 2022 habe ich wochenlang entgegengefiebert. Ich wusste, dass es sich besonders anfühlen wird, weil es das zehnjährige Jubiläum des ersten Albums der Band markierte – und damit auch die Zeitspanne, seit der die Songs mein Leben prägen. Zehn Jahre! Das sind verschiedene Wohnorte, unterschiedliche Freundeskreise, mehrere Smartphones und etliche Schritte im Coming of age. Die Setlist war ein Traum: Aus allen vier Alben wurden Songs perfekt zusammengestellt und das Ergebnis fühlte sich an wie das Mixtape meines Erwachsenwerdens. Als Fan erster Stunde habe ich natürlich alles gegeben und meine Emotionen in Form von textsicherem Mitschreien sowie Tränen der Ergriffenheit und Freude rausgelassen. Besser kann es nicht laufen! Wobei, wer weiß wie sich das nächste Alt-J Konzert in einigen Jahren und in einer neuen Lebenslage anfühlen wird?

Die Autorin:
Kim Becker (sie/ihr) ist Fan von Eurovision Song Contest, Kreuzworträtseln und Kakao.

Preis-Leistung:

Stimmung:

Dauer:

Location:

(inzwischen habe ich Taktiken, um es im Zenith gut nach vorne zu schaffen)

Mein bisheriges Lieblingskonzert war Warhaus im Strom in München. So stellte ich mir immer Konzerte von unbekannten Musiker*innen in den 70ern vor. 400 sehr entspannte, gemischte Leute und eine kleine Band. Das, was Warhaus ausmacht, also quasi „Werkstattmusik”, wo es auch gern mal zu laut ist, oder ein bisschen scheppert, das haben sie perfekt auf die Bühne gebracht. Dazu eine sehr intime, aber trotzdem noch distanzierte Stimmung, ohne großartige Interaktionen. Und zum Ende mixen sie mit ihren begrenzten Instrumenten einen Zehn-Minuten-Song, dessen Melodie alle mitsingen, auch noch auf dem Nachhauseweg.

Der Autor:
Anton Dietzfelbinger (er/ihm) ist großer Kunst- und Musikfan, mit Begeisterung für Tief-, Blöd- und Feinsinn.

Preis-Leistung:

Stimmung:

Dauer:

Location:

Dreimal habe ich Faber in den vergangenen Jahren live gesehen – sobald es die Chance auf ein Konzert in meiner Nähe gibt, ist für mich klar: Ich muss hin! Was diese Konzerte so besonders macht? Die Bühnen und Locations sind meist so klein, dass es fast wie ein Privatkonzert wirkt. Bei der letzten Show im E-Werk in Erlangen im März, stand ich so nah vor ihm, dass mich im Zweifel seine Spucke hätte treffen können, als er aus voller Seele „Du kriegst mich nicht zurück“ vom neuen Album Addio gesungen hat, dabei am ganzen Körper zitterte und seine Halsschlagader immer dicker wurde. Diese Leidenschaft, mit der er seine Kunst auf die Bühne bringt, berührt mich jedes Mal aufs Neue, sodass ich das halbe Konzert lang meine Hände auf meinem Herz habe und die Augen schließe und mich die andere Hälfte von der Energie mitreisen lasse und alle Lieder mit gröle – zum Leid der Menschen um mich herum, die eigentlich Faber hörten wollten und nicht mich.

Die Autorin:
Nina Eichenmüller (sie/ihr) ist Fan von tiefen Gesprächen bei Aperol und Zigarette, Faber, auf Konzerten laut mitsingen und Katzen.

Preis-Leistung:

Stimmung:

Dauer:

Location:

Nichts auf der Welt bereitet eine*n darauf vor, zum ersten Mal Der Weg von Herbert Grönemeyer live zu hören. Beim Grönemeyer-Konzert fällt zwar auf, wer sich alterstechnisch unterhalb der 40 bewegt, aber das ist ganz egal. Denn die Songs, die gespielt werden, sind Kindheitserinnerungen für mich und bewegen auf eine Art, wie es nur Worte können, die man zwar seit 20 Jahren auswendig kann, aber erst seit kurzem so richtig versteht. Deswegen bin ich auch dieses Jahr wieder dabei, wenn Herbert live spielt. Und der korrekteste Boomer der Nation wird auch dann die Bühne wieder rocken, mich zum Weinen bringen und auch zum Cringen, mit Tanzmoves, die dann doch seinem Alter entsprechen.

Die Autorin:
Laura Weinmann (sie/ihr) ist Fan von Trash-TV, Laugengebäck, Oasis und Gedichten von Erich Kästner.

Preis-Leistung:

Stimmung:

Dauer:

Location:
Beim letzten Mal Schleyer-Halle in Stuttgart leider -5/5. Dieses Jahr Schlossplatz in Karlsruhe, ich hoffe natürlich auf

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Ausgabe 1

Ganz wichtig: weniger kreischen

Fangirls sind laut, hysterisch und verrückt. Fußballfans sind leidenschaftlich. Tatsache oder sexistischer Bullshit? Ein Kommentar.

Zeichnungen: Jana Mitnacht, Grafiken: Kim Becker

Taylor Swift bricht aktuell einen Rekord nach dem anderen. Trotzdem wird ihre Musik immer noch belächelt. Auf der Tour von Harry Styles im letzten Sommer herrschte – Achtung, Wortspiel – „Hyst-Harry-a“. Zumindest, wenn man dem Feuilleton glaubt. 
Beide Stars haben vor allem eine Gemeinsamkeit: ihre junge, weiblich dominierte Fanbase. Damit einher geht eine Abwertung eben dieser Fans. Warum? Weil junge Frauen keine Ahnung von Musik haben. So zumindest der weitverbreitete gesellschaftliche Konsens. Pop-Phänomene, die von jungen Frauen gefeiert werden, werden abgewertet und das ist verdammt sexistisch.

Ob es der alteingesessene Feuilletonist oder der 30-jährige Hipster im Plattenladen ist – sie alle haben großen Spaß, über die Taylor Swifts und Harry Styles’ dieser Zeit herzuziehen. Kritisch hinterfragt wird das nur in den wenigsten Fällen. Zu belächeln, was Mädchen und Frauen gefällt, hat schließlich Tradition. Das war schon bei den Beatles der Fall. Damals wurde die weibliche Bewunderung der Band mit geistigen Erkrankungen verglichen. Komisch nur, dass heute niemand mehr an der Qualität ihrer Musik zweifelt…

Zu belächeln, was Mädchen und Frauen gefällt, hat schließlich Tradition.

Wenn junge Frauen bei Konzerten in Tränen ausbrechen, alle Songs ihrer Lieblingskünstlerinnen auswendig können und Wort für Wort lautstark mitsingen, werden sie gerne als „hysterisch“ abgestempelt. Auch „unreif“ und „hormongesteuert“ sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang fallen. Dass junge Frauen auch einfach nur leidenschaftliche und gut informierte Fans sind, die sehr wohl etwas von Musik verstehen, erscheint unvorstellbar. Deshalb ist es auch selbstverständlich, dass in Besprechungen von Konzerten anderer Musikerinnen oder auch in der Berichterstattung zu Fußballspielen selten bis nie von Hysterie die Rede ist. Da sitzen schließlich auch mehr Männer im Publikum. Die, zumindest einer scheinbar weit verbreiteten Meinung zur Folge, mehr Ahnung haben. Und – ganz wichtig – weniger kreischen.

„Warum sehen wir junge Frauen und Mädchen stattdessen nicht einfach als das, was sie sind? Als Menschen mit Leidenschaft, die für etwas brennen. “

Fangirls werden abgewertet, weil weiblich Konnotiertes in unserer Gesellschaft immer noch als minderwertig wahrgenommen wird. Hier werden Züge des Patriarchats ersichtlich. Junge Frauen und Mädchen stehen in der Geschlechterordnung ganz unten. Alles, was sie gut finden, erfährt dadurch automatisch eine Abwertung und gilt als weniger bedeutsam. Die Folge: Weibliche Fans werden nicht ernst genommen, stattdessen als Groupies hingestellt. Hier zeigt sich ein zweites Problem: Das Fan-Sein von Frauen wird häufig mit der sexuellen Anziehungskraft eines männlichen Künstlers begründet. Harry Styles letzte Tour war also nur so erfolgreich, weil ihn seine Fans hot finden. Für zahlreiche Menschen ist das eine logische Schlussfolgerung. Dabei ist das vor allem eins: sexistisch. Denn weibliches Interesse wird dadurch nicht nur lächerlich gemacht, sondern auch sexualisiert und trivialisiert. Darunter leiden sowohl die Fans, als auch die betroffenen Künstlerinnen. Die jungen Mädchen und Frauen, weil sie glauben, ihr Fan-Sein verstecken zu müssen, um nicht für verrückt gehalten zu werden. Die Künstlerinnen, weil ihre Musik dadurch als minderwertig abgestempelt wird.

Warum sehen wir junge Frauen und Mädchen stattdessen nicht einfach als das, was sie sind? Als Menschen mit Leidenschaft, die für etwas brennen. Also loyale Fans. Als Musikliebhaberinnen. Nur weil sie Frauen sind, sind sie nicht verrückter als der männliche Fußballfan, der am nächsten Spieltag wieder grölend im Stadion steht, um mit Bier-Atem elf Männer anzufeuern, die einem Ball hinterher rennen.

Die Autorin:
Rebekka Barta (sie/ihr) ist Fan von Taylor Swift, Konzert-Konfetti und ihren Katzen.

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Ausgabe 1

Kicken, Kichern, Kult: Meme-Seiten über Frauenfußball

Oh Mann! Der 1. FCN ist schon wieder abgestiegen? Fan-Sein kann hart sein. Aber Humor hilft. Wir haben mit den Meme-Seiten-Betreiberinnen Carmen und Louisa über den Aufwand dahinter und die besondere Gemeinschaft im Frauenfußball gesprochen.

Fotos: Privat, Grafik: Kim Becker

Carmen betreibt mit ihrem Instagram-Account @sydneygoatmann eine der größten deutschen Meme-Seiten über Frauenfußball. Erst im Januar 2024 begann die Studentin mit ihrem Projekt, doch bereits jetzt folgen ihr knapp 8.000 Sport- und Meme-Begeisterte. „Zum Thema Frauenfußball gab es noch nicht so viel auf Social Media und ich wollte das durch meinen Account einfach unterstützen“, erzählt sie. Der Accountname ist eine Hommage an Sydney Lohmann vom FC Bayern München. „Intern nennt man sie schon Sydney GOATmann, deshalb habe ich den Namen einfach übernommen, dann noch ein komplett laienhaft gephotoshopptes Bild als Profilbild reingeklatscht und einfach angefangen“, sagt Carmen mit einem Lächeln. Zum Fußball kam sie, wie so viele, durchs Spielen. Seit Olympia 2016 ist sie dann auch Fan der Frauennationalmannschaft. „Ich bin da reingerutscht und dann einfach nicht mehr rausgekommen“, offenbart sie.

Vorfreude: Carmen (mittig) mit ihren Freundinnen.

Eine weitere beliebte Meme-Seite betreibt Louisa mit ihrem Account @lauradreigangmemes. „Laura Freigang ist eine krasse Spielerin und auch menschlich beeindruckend, weil sie ihre Werte vertritt und sehr witzig ist. Deshalb habe ich gedacht, das passt gut mit einem Meme-Account“, erklärt Louisa. Als sie angefangen hat, Memes zu posten, war sie aktiver auf ihrem Account. „Ich war schon ein paar Stunden die Woche beschäftigt“, erinnert sie sich. Aktuell hat Louisa weniger Zeit, weshalb sie seltener postet. „Über den Account habe ich Menschen kennengelernt, die mittlerweile Teil meines realen Alltags und zu echt guten Freund*innen geworden sind“, erzählt sie.

Info:
GOAT steht für „Greatest Of All Times“ und wird im Internet durch das Ziegen-Emoji symbolisiert

Louisa auf dem Weg ins Stadion.

An der Erstellung eines Posts mit zehn Beiträgen sitzt Carmen etwa zweieinhalb Stunden. Den Content, aus dem sie ihre Memes erstellt, konsumiere sie als Fan sowieso. Deshalb sei das Betreiben des Accounts nicht besonders aufwändig. „Wenn mir mal nichts einfällt, helfen mir zwei Freundinnen bei der Ideenfindung”, erzählt sie. Die Inhalte stammen von den offiziellen Social-Media-Accounts der Nationalmannschaft, von Accounts der Spielerinnen oder von kleinen viralen Clips. Carmen setzt die Videos und Fotos in einen neuen Kontext, indem sie Textkästen oder Ton hinzufügt. Mal macht sie sich über die vielen Abgänge zum Saisonende bei Wolfsburg lustig, mal über die noch verbesserungswürdige Chancenverwertung der Nationalmannschaft.

Nicht nur Fans begeistern Carmen und Louisa mit ihren Accounts, auch bei den prominenten Protagonistinnen ihrer Beiträge finden sie Anklang. Die Spielerinnen Laura Freigang, Sam Kerr, Klara Bühl und Sydney Lohmann selbst gehören zu ihren Follower*innen. Freigang hat sogar einige der Beiträge kommentiert und in ihrer Story gepostet. „Ich glaube, mir folgen so viele, weil der Account die Nahbarkeit der Spielerinnen noch deutlicher zeigt“, vermutet Carmen. Bei der Erstellung ihrer Beiträge versuche sie darauf zu achten, dass es nicht zu sehr ins Bashing gehe. „Aber ein bisschen Kritik gehört auch dazu, und bis jetzt kamen noch keine Beschwerden“, erzählt sie.

Dieser Post vom 4. Juni beschreibt das Gefühl vieler Fans nach dem Ausgleichstreffer von Lea Schüller beim Spiel gegen Polen.

Humor spiele eine wichtige Rolle in der Fankultur, vielleicht sogar mehr als bei den Männern, weil nicht immer alles so verbissen gesehen werde, so Carmen. „Mein Account soll Spaß machen. Fußball zu konsumieren, soll Spaß machen“, resümiert sie. Auch für Louisa ist ihr Meme-Account ein Mittel, um Aufmerksamkeit auf den Frauenfußball zu lenken. „Das ist eine andere Herangehens-
weise, um ohne zu viel Ernsthaftigkeit über die Spiele zu reden. Mit Humor ist alles ein bisschen leichter“, sagt sie.


Carmen erklärt, dass es die weniger toxische Community ist, die Stadionbesuche angenehmer mache. „Klar, es sind nicht so viele Leute im Stadion wie bei den Männern, aber es ist weniger aggressiv und einfach ein Safe Space.“ Die Nahbarkeit der Spielerinnen sei schön, könne aber auch die Gefahr von Grenzüberschreitungen bergen. Wenn sie sieht, dass die Privatsphäre der Spielerinnen nicht beachtet wird oder sie auf TikTok sexualisiert werden, macht das Carmen wütend. „Aber ansonsten ist es sehr schön, und die Fans haben auch vereinsübergreifend gemeinsam Spaß und feiern zusammen. Das ist schon einzigartig.“ Louisa betont ebenfalls die besondere Eintracht in der Frauenfußball-Community. „Es ist einfach eine schöne Gemeinschaft, in der alle akzeptiert werden.“

Die kommende Saison können die beiden kaum erwarten. Sie stellen Prognosen auf und freuen sich auf Erfolge ihrer Lieblingsspielerinnen. Louisa erwartet, dass Essen kommende Saison wieder in den Top vier bis fünf der Tabelle mitspielt. „Und ich denke, dass Eintracht Frankfurt auch mal Platz zwei Konkurrenz machen könnte. Ich bin aber auch ein bisschen biased”, fügt sie mit einem Lächeln hinzu. Auch Carmen hat ein paar heiße Tipps. Sie vermutet, dass der FC Bayern mindestens ins UEFA Women’s Champions League Halbfinale kommt und Sydney Lohmann zwei Spiele ohne Gelbe Karte überstehen wird. „Wunder soll’s ja geben”, schmunzelt sie. „Außerdem werden wir nächstes Jahr in der Schweiz die EM gewinnen. You heard it here first!”

Die Autorin:
Ella Papen (sie/ihr) ist Fan von Gummibärchen, Sonnenuntergängen und beim Puzzeln Hörbücher hören.

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Starting Five: DIE Trikots für deinen Sommer 24

Das Check24-Shirt hat gezeigt: Trikots sind wieder tragbar. Mit welchen Pieces du Fußball- und Fashion-Fachkenntnis beweist, zeigt der Styleguide.

Grafiken: Kim Becker

CD Ibiza, 3rd kit 2024/25, Kappa
„Just give me one night in Ibiza“, krächzten Evelyn und Mike Candys 2011 aus meinen WeSC-Kopfhörern – dazu Playboy Ibiza Deo. Trotz dieser herrlichen 10er-Trash-Konnotationen setzt der lokale Club bei seinem neuen Ausweichtrikot auf 70er-Ästhetik. Cleaner Flowerlook mit ausladendem Kragen. Kein Sponsor – nur Ibiza auf der Brust. Urlaubsfeeling in Polyester.
Zum Team CD Ibiza gibt’s nicht viel zu wissen: 2012 gegründet, dritte spanische Liga. Joa. Aber sieht halt toll aus, ihr Leibchen. Und damit kommt das hippste Trikot der Saison 24/25 von Kappa – ja, wieder Kappa, die 2021 mit dem Venezia-Trikot eines der schönsten Trikots aller Zeiten released haben.
Hier kannst du es dir beispielsweise ansehen.

Como FC, 1st 2022/23, errea
Du hältst dich für einen artsy Fußballfan? Ah, du gehst gerne ins Stadion und auf ‘ne Vernissage? Soso, deshalb hast du dir das neue Ajax-Trikot gekauft, das von „Sternennacht“ von van Gogh inspiriert ist? Echte Arte-und-Fußball-Ultras schnappen sich aber das Heimtrikot des Como FC der Saison 2022/23, wobei – später mehr dazu. Die Künstlerin Golnaz Jebelli gestaltete das außergewöhnliche Trikot für den norditalienischen Klub. Inspiriert wurde ihre Ölmalerei dabei, genau wie ihre zwölfteilige Serie „Beyond Reflections“, vom Lichtspiel der Wellen des Comer Sees. Alle Einnahmen des Trikots fließen in gemeinnützige Projekte der Region. Der Club hat darum angekündigt, das Trikot mindestens zwei Spielzeiten lang zu tragen und peilt noch weitere an. Außerdem soll so der Geldbeutel von Eltern geschont werden, deren Kinder sich jede Saison das neue Trikot erquengeln. Deshalb ist es gleichzeitig das alte und das aktuelle Trikot des Serie-A-Aufsteigers.
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Victoria Park Vixens, 1st kit 2023/24, Kappa
Naturdoku-Fans wissen: In London leben viele Wildtiere. Am besten angezogen sind jedoch die Füchsinnen aus dem Victoria Park. Die Victoria Park Vixens spielen in einer elf-gegen-elf-Hobbyliga in London. Statt dem Schriftzug eines lokalen Stuckateurs auf einem ausgeblichenen Tem-plate tragen sie ihr modernes Logo auf einem High Fashion Piece von Kappa. Weinrot mit subtilen grünen Streifen. Diese Grünstreifen zollen dem Park Tribut, der dem Team seinen Namen gibt. Obwohl der eigentlich im Stadtteil Bow liegt, sehen sich die Vixens als Team aus Hackney. Schlaue Füchs*innen finden heraus, wie man an das Trikot kommt, denn frei verkäuflich ist das tolle Teil nicht.
Hier kannst du es dir beispielsweise ansehen.

Knitted football top, house of errors
„Die DFB-Elf spielt heute mit verkürzten Reihen mit verschränkter Defensive. Doch die Italiener kreuzen gekonnt, wie hier Gilardino, der Metzelder stehen lässt und ablegt auf del Piero, der nimmt Nadelmaß und stellt das Tornetz auf eine Maschenprobe.“ Zur WM 2006 hat mir meine Mama einen schwarz-rot-goldenen Schal gestrickt. Das britische Modelabel house of errors gibt noch mehr Garn: gestrickte Trikots. Im Look der besten Vintage-Leibchen von Deutschland, Brasilien, Frankreich, Italien, Spanien und England. Stilvoll und kuschelig. Da kommt Nostalgie auf, nach all den Yarn. Weil der Sommer schneller vorbei ist als man will, muss sich nicht nur der Gegner warm anziehen. Außerdem warten sicher weitere Winter-WMs in der Wüste auf uns. Looking at you WM-2034-Bewerber Saudi-Arabien. Eine Huldigung der größten Fußballnationen und deren legendärer Trikots – powered by Oma.
Hier kannst du es dir beispielsweise ansehen.

Belgium, 2nd kit 2024, adidas
„What a week, huh?“ „It’s Wednesday, Captain.“ Diese Konversation könnte wohl zwischen Kevin de Bruyne, Kapitän der belgischen Nationalmannschaft, und seinen Teamkollegen geführt worden sein, nachdem sie an einem Mittwoch im Juni mit einem 0:0 gegen die Ukraine gerade so die Gruppenphase der EM überstanden. Zumindest hätte der Look gestimmt. Der belgische Comiczeichner Hergé schuf ab 1929 die Comicserie um den Reporter Tim, der typischerweise einen blauen Pullover über einem weißen Hemd, dazu braune Dreiviertelhose und weiße Kniestrümpfe rockt. Und diesen Look trug die belgische Nationalmannschaft bei der EM im Spiel gegen die Ukraine. Adidas ließ sich vom Kleidungsstil des vielleicht berühmtesten Belgiers inspirieren und empfand ihm das gesamte Kit nach. Wer noch einen beigen Trenchcoat im Schrank hat, kann den Tim-Look vervollständigen.
Hier kannst du es dir beispielsweise ansehen.

Der Autor:
Jona Gebhard (er/ihm) ist Fan von lieb sein, dem VfB und der ARD-Serie Hofgeschichten.

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Review: Was kann “Buenos Dias Argentina”?

Am 13. Januar 1978 landete das runde Vinyl im eckigen Cover. Kurz vor der Männer-Fußball-Weltmeisterschaft in Argentinien 1978 nahm es Udo Jürgens mit der damaligen deutschen Nationalmannschaft im Tonstudio auf. Größen wie Sepp Maier, Berti Vogts oder Karl-Heinz Rummenigge zeichneten mit dem Schlagersänger Tonspuren auf und heizten den Fans mit eigens komponierten Songtexten so richtig ein. Bereits in den ersten zwei Monaten verkaufte sich das Album über 150 Tausend Mal – Jürgens erhielt dafür eine Platin-Schallplatte. Insgesamt ging das Album sogar über 750 Tausend Mal über den Ladentisch.

Kurz vor dem zehnten Todestag von Udo Jürgens und passend zur diesjährigen Europameisterschaft in Deutschland ist der perfekte Moment gekommen, sich mit diesem Meisterwerk der deutschen Fußballsong-Geschichte auseinanderzusetzen. 15 Lieder beinhaltet der Tonträger – und so viel sei vorweggenommen: Ein paar der Lieder sind auch heute noch gute Kandidaten für die Warm-Up-Playlist am Fußballabend.

Volltreffer direkt nach Anpfiff
Das Album beginnt mit dem Titelsong Buenos Dias Argentina. Der kommt direkt mit enormem Ohrwurm-Potenzial daher und lädt zum Schunkeln ein. Beim Hören wird man in einen Sonnenstuhl am Strand geschubst, bekommt ein kühles, farbenfrohes Getränk mit Schirmchen in die Hand gedrückt und die Sonne geht malerisch unter. Nach dreieinhalb Minuten bleiben vor allem Fernweh und ein nicht ganz optimal ausgesprochenes „Argentina“ im Kopf.

Daran schließt sich eines der Highlights an. Der Song Elfmeter startet mit der eingesprochenen Aufnahme eines Kommentators. Dadurch stehen wir gefühlt direkt mit am Spielfeldrand. Passend dazu werden wir im Laufe des Songs zu Buhrufen animiert. Dazu läuft eine ulkige Hintergrundmusik und Jürgens singt relatable über die Herausforderung, einen Elfmeter schießen zu müssen: „Vielleicht sollte ich echt einfach sagen ‚Mir ist schlecht und es schmerzt mich mein Zahn‘ und es schießt ein andrer dann.“ Wer kennt’s nicht?

Anschließend wagt sich der Schlagersänger auf eine philosophische Reise: Ähnlich wie sich andere nach dem Sinn der Welt fragen, stelle sich ein Fußballspieler nach jedem Fehlschuss die Frage, wer das Tor so klein gemacht habe. Wenn es im Schlager Punchlines gäbe, wäre dieser Song das Vorzeigebeispiel: Der Refrain ist so animierend, dass man spätestens beim zweiten Mal mitsingen muss.

Udo Jürgens glänzt auf dem Album-Cover im zentralen Mittelfeld.

Stark angefangen, dann etwas nachgelassen
Die folgenden Lieder Es Darf Gelacht Werden, Aber Bitte Mit Sahne in der Fußball-Version und Wer spricht schon vom Verlierer stechen weniger heraus. Jürgens bemerkt zwar richtig „Sport ist immer noch ein Spiel“ und „Es ist verboten im Tor zu witzeln und den Schiedsrichter zu kitzeln“, aber neue Erkenntnisse bleiben aus. Auch der eigentliche Klassiker Aber Bitte Mit Sahne funktioniert in der Fußball-Version weniger gut: „Noch eine Flanke von links – aber bitte mit Sahne. Und ein Einwurf von rechts – aber bitte mit Sahne. Oder darf es vielleicht ein Eigentor sein – aber bitte mit Sahne.“ Zwar wagt Jürgens den Perspektivwechsel und blickt in Wer Spricht Schon Vom Verlierer auf eben diesen, aber für mich ist der Song durch die sentimentale Aufmachung nicht unbedingt Material für eine pfiffige Playlist. Als Rausschmeißer hingegen wäre er eine Option.

Schwingende Stand- äh Tanzbeine und hängende Köpfe
Ein kleiner Star des Albums schlummert auf der Nummer sieben. Wie Lea Schüller wartet der Song auf seinen großen Moment und, wenn seine Zeit gekommen ist, schlägt er eiskalt zu – oder in Jürgens’ Worten: „Da tanzen Mittelstürmer Tango“. Das Lied Das Fußball-Ballett macht Laune, animiert zum Tanzen und besticht mit kreativen Versen. Eine eingängige Melodie trifft auf Zeilen wie „Beim 1:0 rief man ‚Karamba!‘, doch die Spieler tanzen Samba“.

Zum Abschluss der A-Seite folgt eine dramatische Nummer mit dem Titel Das Spiel Ist Aus. Langsam und erzählerisch baut sich der Song auf und schließlich folgt die Botschaft: Man muss sich mit dem Gewinner einer Partie freuen können. Leichter gesagt als getan – davon können wir nach dem Heim-EM-Aus sicherlich alle ein Lied singen.

„Wenn es im Schlager Punchlines gäbe, wäre dieser Song das Vorzeigebeispiel.“

Macho-Songs zum Überspringen
Weiter geht es auf der B-Seite. Er Hält Den Ball ist zwar catchy und macht beim ersten Mal Hören Laune. Wenn man aber auf den Text achtet, schlägt das um. Stereotype einer Spielerfrau, die nur Daumen drückt und den Haushalt schmeißen will, werden reproduziert – loben könne man sie, wenn sie die Freude ihres Mannes verstehe. Wow! Dass im Männer-Fußball die Heteronorm regiere und Fußball generell eine Männer-Domäne sei, das versuchen etliche Anhänger ständig klarzumachen und leider liefert Udo Jürgens mit diesem Lied den Soundtrack dazu.

Das ändert sich beim nächsten Lied noch nicht. Denk An Mich, Kleines Mädchen ist genau der einsame-Wolf-Song, den man sich unter dem Titel vorstellt. Ich finde ihn noch dazu relativ langweilig und kann Melodie, Songaufbau und Refrain nichts abgewinnen.

Alle Mitwirkenden sind vermerkt – sogar der Kommentator Heribert Faßbender, den man auf dem Lied Elfmeter hören kann.

Endspurt
Bevor die Platte mit einer spanischen Version von Buenos Dias Argentina und einer Ode an den ehemaligen Bundestrainer Helmut Schön endet, gibt Udo Jürgens in vier Liedern noch mal seine Entertainment-Skills zum Besten. Wer Hat Schon Solche Beine denkt man sich beispielsweise beim Anblick von David Raum, kurz bevor er eine perfekte Flanke ins Zentrum schlägt. Und auch Udo Jürgens ist von Fußballer-Waden fasziniert und kombiniert seine Beobachtungen mit einer Melodie, die nach Wildem Westen klingt. Der Song belegt nach Wer Hat Das Tor So Klein Gemacht? den zweiten Platz auf dem Ohrwürmer-Treppchen.

Das muntere Mitsingen geht weiter: Der Teufel Hat Den Schnaps Gemacht ist ein echtes Party-Sauflied. Hier zeigt der Mundharmonika-Virtuose Udo Jürgens, was er drauf hat: Nach dem Refrain setzt ein Solo ein, das von einem Bass unterstützt wird und zum Mittanzen auffordert. Der Songtext ist zwar etwas eintönig, zum Mitgrölen aber optimal: „Ich hör’ schon wie der Teufel lacht, wenn wir am Schnaps einmal sterben“.

Hier zeigt der Mundharmonika-Virtuose Udo Jürgens, was er drauf hat.

Wir alle wären Fußballprofis geworden, wäre da nicht diese eine Knieverletzung gewesen, oder? Naja, fast. Aber Jürgens spricht mit Ein Fußballstar Kennt Keinen Schmerz dennoch etwas an, das sicherlich vielen bekannt vorkommt: Im Sport muss man manchmal tapfer sein. Wie gut, dass der Körper eines Fußballstars laut ihm aus Stahl, Eisen und Erz gemacht sei. Ich interpretiere das einfach mal als Hymne für Selbstbewusstsein im Sport.

Wer die Schallplatte kaufte, erhielt einige Schnappschüsse von den Aufnahmen im Tonstudio dazu.

Abschlussbesprechung
Buenos Dias Argentina kann auch fast 50 Jahre später noch sehr viel! Mit seinen lustigen Reimen, packenden Melodien und kreativen Song-Themen bewirbt sich das Album eindeutig für einen Startelf-Platz in den Fußball-Playlisten. „Ich seh’ die Spieler ackern, dann zitter’ ich und schwitz’. Ich raufe mir die Haare und bin total verstört, denn es ist unerhört! Wer hat das Tor so klein gemacht? Wer hat sich das nur ausgedacht? Ich finde das gemein! Wer hat das Tor so klein gemacht? Das ist doch eine Niedertracht, das muss doch echt nicht sein!” – charmanter geht es kaum, finde ich.

Neben dem Reinhören empfehle ich die Videos auf dem Udo-Jürgens-Kanal auf YouTube. Zu Buenos Dias Argentina ist beispielsweise ein Video hochgeladen, das die Mannschaft im Tonstudio zeigt. 70er-Jahre-Frisuren, schicke Retro-Adidas-Outfits und konzentrierte Mimik beim Ablesen des Songtextes. Das schiebt an!

Die Autorin:
Kim Becker (sie/ihr) ist Fan von Eurovision Song Contest, Kreuzworträtseln und Kakao.

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Ausgabe 1

„Manchmal wird man als die kleine Maus an der Sideline wahrgenommen.“

Sena Kennedy und Sarina Löbig lieben ihren Sport, das Cheerleading. Doch in der Öffentlichkeit wird der Sport weiterhin belächelt. Dazu tragen sie notgedrungen auch selbst bei.

FotoS: Privat, Tom lorenz

Sena Kennedy und Sarina Löbig stehen an einem Foodtruck vor dem Stadion in Unterhaching an, da nähern sich ihnen zwei Männer. Ein Freund habe Geburtstag, sagen sie. „Er würde gerne mit euch Cheerleadern ein Bild machen.“ Die beiden Frauen schauen sich kurz unschlüssig an. Dann willigen sie ein. Das Foto zeigt die jungen Frauen mit Glitzersteinen in den Augenwinkeln, großer weißer Schleife im Haar und knappem schwarzem Kleid neben dem Mann, der grinst.
Das Bild reproduziert das, wofür Löbig und Kennedy eigentlich nicht stehen wollen: Sie sind Accessoires. Später erklärt Löbig: Wenn es die Fans glücklich macht, mache sie das gerne. „Aber ich finde es schade, dass der eigentliche Sport dadurch untergeht.“ In ihrer Gruppe, den Flames Allstars des TSV Haar, betreiben die Frauen einen anspruchsvollen Sport, den auch das Internationale Olympische Komitee seit 2021 als eigene Sportart anerkennt.

In Unterhaching jubelten Senna Kennedy (li.) und 
Sarina Löbig gemeinsam für die Munich Ravens.

Von Rückwärtssalto bis Hebefigur
Laut des Cheerleading und Cheerperformance Verband Deutschlands sind mehr als 30.000 Athlet*innen in 355 Vereinen in Deutschland aktiv – und es werden immer mehr: 2023 ist der Sportverband um 23 Prozent gewachsen. Löbig und Kennedy lieben die Vielseitigkeit ihres Sports – von Rückwärtssalto bis Tanzchoreografien ist alles inbegriffen. Man entwickle sich immer weiter, schwärmt Löbig, die seit 2017 Cheerleaderin ist.

Die beiden Frauen nehmen mit den Flames Allstars an nationalen und internationalen Wettkämpfen teil, zuletzt bei den Elite Cheerleading Championships in Bottrop, bei denen Teams aus ganz Europa antraten. Sie zeigen dort mehrstöckige Hebefiguren, Spagat und Handstand, Flickflacks und Stunts.

An der Sideline statt im Mittelpunkt
An der Sideline im Sportpark können sie an diesem Sonntag nur wenig davon zeigen. Die Augen der Zuschauer*innen ruhen auf den Footballern der Munich Ravens und der Prague Lions. In der Pause nach dem ersten Quarter wittern die Frauen ihre Chance, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Löbig ruft ihre Kolleginnen zusammen, blickt zu Kennedy und sagt: „Arabesque“. Auf ihr Kommando heben sie die 20-Jährige hoch. Kennedy streckt ihr Bein nach hinten und lächelt in die jubelnde Menge. Wenig später macht sie einen Flickflack parallel zur Seitenlinie.

Die Flames Allstars des TSV Haar meistern eine aufwendige Hebefigur bei den Deutschen Cheersport Meisterschaften.

Die meiste Zeit verschränken die 13 Sportlerinnen aber die Pompons hinter dem Rücken und warten, während sich die Footballer auf dem Feld rangeln. Etwa einmal pro Minute zeigen sie die immer gleiche Choreografie: Pompons hoch, Pompons runter, Pompons zur Seite. Die Bewegungen haben sie wenige Stunden vor dem Spiel eingeübt.
Denn die Frauen sind aus unterschiedlichen Teams ihres Vereins zusammengewürfelt. „In der Konstellation, wie wir hier sind, trainieren wir gar nicht“, erklärt Löbig. Die Munich Ravens fragen den Haarer Verein an, um das Football-Team zu unterstützen. Wer Zeit hat, kommt.

Dabei wollte Kennedy eigentlich nicht mehr an der Seitenlinie auftreten. Ihre Cheerleading-Karriere begann sie 2012 zwar bei den Erding Bulls, einem American Football-Verein. Aber sie sagt: „Ich wollte mehr gefordert und gepusht werden.“ Also wechselte sie zum Meisterschafts-Cheerleading bei ihrem heutigen Verein.
Dass sie an diesem Tag in Unterhaching wieder bei einem Football-Spiel tanzt, hat mit den Strukturen des Sports zu tun. „Cheerleading ist teuer“, erklärt Kennedy. Für die Auftritte an der Seitenlinie zahlen die Munich Ravens jeder Cheerleaderin eine Aufwandsentschädigung. Das Geld brauchen die Sportlerinnen, um damit Startgebühren, Vereinskleidung, Hotels und Zugtickets zu bezahlen.

Auch bei dieser Hebefigur strahlt Sena Kennedy.
Das Team feuert sich gegenseitig an, Sarina Löbig gibt alles.

Athletin statt Maus
Die einfachen Choreografien und Figuren, die die Frauen im Unterhachinger Stadion zeigen, trügen dazu bei, dass der Sport weiter belächelt werde, bedauern die beiden. Wenn sie vom Cheerleading erzählt, werde sie schnell auf die Pompons reduziert, sagt Löbig. „Das Klischee erfüllen wir heute. Das ist schade, weil die Leute gar nicht sehen können, was alles möglich ist.“ Auch Kennedy sagt: „Wir sind Athleten, aber manchmal wird man als die kleine Maus an der Sideline wahrgenommen.“
Die größte Chance am Sonntagnachmittag, immerhin einen Bruchteil ihres Könnens zu zeigen, ist die Halftime-Show. Doch ausgerechnet in der Pause prasselt plötzlich strömender Regen auf das Spielfeld. Kennedy und Löbig rennen mit ihren Kolleginnen trotzdem auf den Rasen. Doch nach nur wenigen Hebefiguren müssen sie ihre Show im Gewitterschauer abbrechen. Sie müssen zurück an die Seitenlinie des Sportevents – damit sie es sich demnächst wieder leisten können, selbst das Event zu sein.

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Ausgabe 1

Jubeljahre – Vom Hüpferchen zur durchgeplanten Choreo

Als im Jahr 1860 der FC Sheffield gegen den FC Hallam zum ersten offiziellen Männer-Fußballspiel antrat, war die Welt noch eine andere. 164 Jahre später hat sich vieles geändert – auch der Jubel der Spieler. Eine kleine Zeitreise.

1954:
„Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt“ –und dann folgt ein vierfacher Torschrei von Radioreporter Herbert Zimmermann. Das Zitat aus dem WM-Finale 1954 gehört vermutlich zu den bekanntesten Sprüchen der deutschen Sportgeschichte. Anders sieht es mit dem Jubel aus: Obwohl Rahn sechs Minuten vor dem Schlusspfiff den Siegtreffer erzielte, bestand der Jubel nur aus einer vergleichsweise unspektakulären Spielertraube. Immerhin: Nach dem Abpfiff gab es auch ein paar Freudensprünge.

1974:
20 Jahre nach Helmut Rahns Treffer ist nicht nur das Fernsehen farbenfroh, auch der Jubel des WM-Siegtorschützen Gerd Müller ist deutlich euphorischer. Ein Sprint, drei Sprünge in die Luft und hochgerissene Arme: Das 2:1 gegen die Niederlande, das Müller übrigens kurz vor dem Ende der ersten Halbzeit erzielte, bedeutete den zweiten Weltmeistertitel für die deutsche Nationalmannschaft.

1990:
Nachdem Andreas Brehme den Elfmeter in die linke untere Ecke geschoben hatte, folgte noch schnell ein Jubelsprung, bevor er unter einer Traube von Spielern lag. Kurz vor Schluss führte Deutschland mit 1:0 gegen Argentinien, der dritte Weltmeistertitel stand kurz bevor. Und der Siegtorschütze? Der war unter den anderen Spielern fast gar nicht mehr zu sehen.

2010:
WM-Eröffnungsspiel in Südafrika, ein Pass in den Lauf des Südafrikaners Siphiwe Tshabalala, der den Ball annimmt und mit links in den rechten Winkel des mexikanischen Tores schießt. Was mindestens genauso stark in Erinnerung bleibt wie das Tor, ist der Torjubel: eine einstudierte Tanzeinlage, an der sich insgesamt fünf Spieler beteiligten. Es dürfte einer der Torjubel in einem WM-Eröffnungsspiel sein, der den Fans bis heute am stärksten in Erinnerung geblieben ist.

2014:
„Schürrle. Der kommt an. Mach ihn. Mach ihn. Er macht ihn!“ 60 Jahre nach Helmut Rahn und Herbert Zimmermann waren es Mario Götze als Torschütze und Tom Bartels als Kommentator, die dafür sorgten, dass das Tor zum 1:0 gegen Argentinien mehreren Millionen Fußballfans für immer in Erinnerung bleiben wird. Götzes Jubel, bei dem er nach der Spielertraube beide Arme zur Seite streckte und nach oben blickte, ging dabei schon fast unter – wird auf Social Media aber auch zehn Jahre nach dem Treffer noch unter den Posts von Götze gepostet.

2014, 2015, 2017:
Die Jubel werden extravaganter: Gleich mehrmals jubelte der Ex-Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang mit Masken, die er irgendwo in der Nähe des Spielfelds platziert hatte. Batman und Spiderman waren nur zwei Masken, die er den Fans präsentierte – und damit insbesondere während seiner Zeit bei Borussia Dortmund für Diskussionen sorgte.

2023:
Knierutscher, Wappenkuss, auf die Bande, Ohren zu, Wappen präsentieren, Buchstaben mit den Händen formen, Kugel formen, auf den eigenen Namen zeigen und am Ende nochmal den eigenen Mitspieler umarmen – Newcastles Bruno Guimaraes hatte nicht etwa zum entscheidenden Treffer im Champions League-Finale getroffen, sondern zum 4:1 gegen Brighton in der Premier League. Doch im Nachhinein stellte sich heraus: Der Multi-Jubel war nicht etwa seiner Selbstverliebtheit geschuldet. Guimaraes widmete den Jubel offenbar einem kranken Kind, das er kurz vor dem Spiel besucht hatte.

Dass sich der Männer-Fußball und die Jubel in den letzten Jahrzehnten verändert haben, ist nicht zu übersehen. Wo sich früher gemeinsam in der Mannschaft kurz abgeklatscht und umarmt wurde, werden heute Choreos vorgestellt. Aber warum ist das Ganze so? Sportwissenschaftler Andreas Tschorn vermutet in der Rheinischen Post (RP), dass die „größere mediale Aufmerksamkeit für den Sport damit zu tun haben könnte“. „Je mehr Fußball zum Geschäft und zur Show wurde, desto extravaganter wurde er [der Jubel] auch“, wird der Sportwissenschaftler weiter zitiert. Doch für Nostalgiker und Nostalgikerinnen gibt es laut dem Soziologen Uwe Wilkesmann Hoffnung: „Authentische Torjubel sind kein Relikt der Vergangenheit“, schreibt die RP diesbezüglich.
Aber ob Jubel jemals wieder so aussehen wie 1954? Vermutlich eher nicht. Und wer weiß, wie in 70 Jahren über die Jubel aus dem Jahr 2024 berichtet wird.

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Ausgabe 1

Unsere Jubel-Momente: Hurra, hui und heissassa! Darüber haben wir zuletzt gejubelt

Es ist Samstag, der 14. Mai 2016, letzter Bundesliga-Spieltag. In Bremen geht es um alles, als Werder im Weserstadion auf die Frankfurter Eintracht trifft. Beide Mannschaften können sich noch retten, beide können noch absteigen. Doch das kommt auf dem Platz offenbar nicht so ganz an. Lange plätschert das Spiel vor sich hin, als würde es um nichts mehr gehen – doch Bremen steht in diesem Moment auf dem Relegationsplatz; es droht der Abstieg in die zweite Liga.
Um 17:13 Uhr ist es aber so weit: 88. Minute, langer Ball in den Strafraum, Bremens Stürmer Ujah legt auf, Innenverteidiger Djilobodji drückt den Ball über die Linie, das Stadion explodiert. „Im Epizentrum, der Bremer Ostkurve, vermischen sich Hektoliter Bier in der Luft mit Tränen der Erleichterung. Ein Moment für die Ewigkeit”, schreibt das Fußball-Magazin 11 Freunde später – und liegt damit absolut richtig.
Von Bastian Bönisch

Stellt euch vor, euer Lieblingskünstler ist tot, und plötzlich ist ein neuer Song von ihm im Release-Radar. Kein Cover, kein Remix oder Ähnliches. Ein ganz neues Lied mit seiner Stimme. So war es am Freitag, dem 20. September 2019. Drei Jahre nach seinem Tod erscheint ein neuer Song von Leonard Cohen, The Goal. Mein Misstrauen war groß, ich googelte schnell und sah folgendes: Ein neues, posthumes Leonard Cohen-Album, das er vor seinem Tod noch aufnahm, wird erscheinen. Jubel.
Von Anton Dietzfelbinger

Das Konzertticket völlig spontan ergattert, während ich gerade bei Aldi an der Kasse stand. Unglaube, dass das da wirklich ein „Front of Stage”-Ticket ist, das ich plötzlich auf dem Handy habe. Monatelange Vorfreude. Am Konzerttag schon am Vormittag vor dem Stadion stehen. Mit anderen Fans connecten. Noch mehr Vorfreude. Warten, warten, warten. Einlass.
Plötzlicher Stress: Krieg ich den Platz an der Bühne, den ich mir gewünscht habe? Krieg ich. Die Vorband spielt. Pause. Ungeduld. Wann geht es endlich los? Jetzt. Er ist da. Harry Styles, der Musiker, den ich schon mit 13 verfolgt habe, plötzlich da, auf der Bühne, direkt vor mir, keine fünf Meter entfernt. Ich erschrecke kurz, weil da plötzlich dieser Typ ist, den ich sonst nur auf Bildschirmen und in weiter Entfernung sehe. Ja, er ist es wirklich. In einem blauen Glitzeroutfit. Euphorie. Mein 13-jähriges Ich könnte nicht glücklicher sein. Und wenn ich ehrlich bin, dann mein 24-jähriges Ich auch nicht.
Von Rebekka Barta

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Ausgabe 1

Alle Artikel aus Ausgabe 1

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Zwölfte Männer und Pompons

S. 8

S. 10


S. 13

S. 16

S. 18

Jubeljahre
Eine Zeitreise durch die Geschichte der Tor-Euphorie

“Manchmal wird man als die kleine Maus an der Sideline wahrgenommen.”
Zwei Cheerleaderinnen im Spotlight

Review: Was kann “Buenos Dias Argentina”?
Eine Musikanalyse mit Retro-Charme

Starting Five: DIE Trikots für deinen Sommer 24
Wie du von Sporty Spice zu Sporty Nice wirst

Kicken, Kichern, Kult
Mit Meme-Seiten über Frauenfußball in die Fankultur eintauchen

Im Moshpit

S. 22

S. 24

S. 26

S. 29

Ganz wichtig: weniger kreischen
F*ck the Patriarchy – Taylor’s Version

“Seid ihr gut drauf?”
Komm’ mit auf unsere liebsten Konzerte!

Midnights Mirrorball
Ich bin ein Swiftie – was zieh’ ich an?

Es. Ich. Lyrisches Ich.
Ein Fan im Zwiespalt zwischen Fantasie und Realität

Zwischen Watchlist und Bücherregal

S. 32

S. 36

S. 37

S. 40

Conventions, Community und Charakter-Tausch
Ein begeisterter Cosplayer im Interview

Film ab!
Drei Dokus für deine Watchlist

Stories that people actually read
A PhD student on her research about fanfiction

Begreifen, was uns ergreift
Das Fan-Dasein als Literaturfan

Und sonst so?

S. 44

S. 46

S. 47

S. 48

Sonnige Mutmacher gegen den Winterblues
Kampfansage an die saisonale Depression

Platz da, Großer!
Geste für Geste zur Gleicheberechtigung?

Nischig, aber nice
Was du bisher nicht kanntest, jetzt aber brauchst

Rätsel-Spaß
“Rate mal mit Rosenthal” war gestern, hier kommt “Kreuzworträtseln mit Kim”!

Außerdem in der Ausgabe

S. 2

S. 50

Unsere Jubel-Momente
Hurra, hui und heissassa! Darüber haben wir zuletzt gejubelt

Fun Facts: La-Ola-Welle
Wissenswertes zum Stimmmungsmacher