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Ausgabe 1

Ganz wichtig: weniger kreischen

Fangirls sind laut, hysterisch und verrückt. Fußballfans sind leidenschaftlich. Tatsache oder sexistischer Bullshit? Ein Kommentar.

Zeichnungen: Jana Mitnacht, Grafiken: Kim Becker

Taylor Swift bricht aktuell einen Rekord nach dem anderen. Trotzdem wird ihre Musik immer noch belächelt. Auf der Tour von Harry Styles im letzten Sommer herrschte – Achtung, Wortspiel – „Hyst-Harry-a“. Zumindest, wenn man dem Feuilleton glaubt. 
Beide Stars haben vor allem eine Gemeinsamkeit: ihre junge, weiblich dominierte Fanbase. Damit einher geht eine Abwertung eben dieser Fans. Warum? Weil junge Frauen keine Ahnung von Musik haben. So zumindest der weitverbreitete gesellschaftliche Konsens. Pop-Phänomene, die von jungen Frauen gefeiert werden, werden abgewertet und das ist verdammt sexistisch.

Ob es der alteingesessene Feuilletonist oder der 30-jährige Hipster im Plattenladen ist – sie alle haben großen Spaß, über die Taylor Swifts und Harry Styles’ dieser Zeit herzuziehen. Kritisch hinterfragt wird das nur in den wenigsten Fällen. Zu belächeln, was Mädchen und Frauen gefällt, hat schließlich Tradition. Das war schon bei den Beatles der Fall. Damals wurde die weibliche Bewunderung der Band mit geistigen Erkrankungen verglichen. Komisch nur, dass heute niemand mehr an der Qualität ihrer Musik zweifelt…

Zu belächeln, was Mädchen und Frauen gefällt, hat schließlich Tradition.

Wenn junge Frauen bei Konzerten in Tränen ausbrechen, alle Songs ihrer Lieblingskünstlerinnen auswendig können und Wort für Wort lautstark mitsingen, werden sie gerne als „hysterisch“ abgestempelt. Auch „unreif“ und „hormongesteuert“ sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang fallen. Dass junge Frauen auch einfach nur leidenschaftliche und gut informierte Fans sind, die sehr wohl etwas von Musik verstehen, erscheint unvorstellbar. Deshalb ist es auch selbstverständlich, dass in Besprechungen von Konzerten anderer Musikerinnen oder auch in der Berichterstattung zu Fußballspielen selten bis nie von Hysterie die Rede ist. Da sitzen schließlich auch mehr Männer im Publikum. Die, zumindest einer scheinbar weit verbreiteten Meinung zur Folge, mehr Ahnung haben. Und – ganz wichtig – weniger kreischen.

„Warum sehen wir junge Frauen und Mädchen stattdessen nicht einfach als das, was sie sind? Als Menschen mit Leidenschaft, die für etwas brennen. “

Fangirls werden abgewertet, weil weiblich Konnotiertes in unserer Gesellschaft immer noch als minderwertig wahrgenommen wird. Hier werden Züge des Patriarchats ersichtlich. Junge Frauen und Mädchen stehen in der Geschlechterordnung ganz unten. Alles, was sie gut finden, erfährt dadurch automatisch eine Abwertung und gilt als weniger bedeutsam. Die Folge: Weibliche Fans werden nicht ernst genommen, stattdessen als Groupies hingestellt. Hier zeigt sich ein zweites Problem: Das Fan-Sein von Frauen wird häufig mit der sexuellen Anziehungskraft eines männlichen Künstlers begründet. Harry Styles letzte Tour war also nur so erfolgreich, weil ihn seine Fans hot finden. Für zahlreiche Menschen ist das eine logische Schlussfolgerung. Dabei ist das vor allem eins: sexistisch. Denn weibliches Interesse wird dadurch nicht nur lächerlich gemacht, sondern auch sexualisiert und trivialisiert. Darunter leiden sowohl die Fans, als auch die betroffenen Künstlerinnen. Die jungen Mädchen und Frauen, weil sie glauben, ihr Fan-Sein verstecken zu müssen, um nicht für verrückt gehalten zu werden. Die Künstlerinnen, weil ihre Musik dadurch als minderwertig abgestempelt wird.

Warum sehen wir junge Frauen und Mädchen stattdessen nicht einfach als das, was sie sind? Als Menschen mit Leidenschaft, die für etwas brennen. Also loyale Fans. Als Musikliebhaberinnen. Nur weil sie Frauen sind, sind sie nicht verrückter als der männliche Fußballfan, der am nächsten Spieltag wieder grölend im Stadion steht, um mit Bier-Atem elf Männer anzufeuern, die einem Ball hinterher rennen.

Die Autorin:
Rebekka Barta (sie/ihr) ist Fan von Taylor Swift, Konzert-Konfetti und ihren Katzen.

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