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Ausgabe 1

Conventions, Community und Charakter-Tausch

An Halloween ziehst du mal wieder das eingestaubte Hexen-Kostüm aus dem Schrank und an Fasching tut es ein bisschen Make-up? Cosplayer*innen arbeiten teilweise monatelang an Kostümen ihrer Lieblingscharaktere. Yon erzählt uns, wie sich seine Leidenschaft entwickelt hat, was ihm in der Szene besonderen Spaß bereitet und an welchem Kostüm er gerade arbeitet.

Fotos: Yon, @mickiegraphy,@pics.by.jani

Welche Computerspiel-Figur ist deine liebste und warum?
Yon: Mein liebster Videospiel-Charakter ist Technoblade. Den cosplaye ich immer wieder. Technoblade hat auf Dream SMP gestreamt und ist ein cooler Charakter mit einer tollen Geschichte und einem schönen Charakter-Design. Ich mag an ihm, dass ich kreativen Freiraum habe, wenn ich ihn cosplaye, und selber entscheiden kann, wie ich mich in der Figur verhalte.

Info: Dream SMP war ein Multiplayer-Minecraft-Server, auf dem das „Dream Team“, eine Gruppe Gamer*innen, in verschiedenen Rollen und einem improvisierten Handlungsablauf Allianzen gebildet und Kriege ausgetragen haben.

Habt ihr einen ähnlichen Charakter?
Wir sind uns charakterlich nicht sehr ähnlich. Sein Charakter ist sehr, sehr selbstbewusst und stark. Ich finde den Charakter inspirierend und cosplaye ihn deshalb. Ein Charakter, mit dem ich mich sehr identifizieren kann, ist beispielsweise Peter Parker aus Spiderman. Das ist einfach ein normaler Junge, der in die High School geht und nicht reich ist – das fühlt sich eher nach mir und meinem Leben an.

Yon im Technoblade-Kostüm, seinem Lieblings-Videospiel-Charakter.

Wann hat deine Leidenschaft für Cosplay angefangen?
Mit neun Jahren war ich auf meiner ersten Cosplay-Convention, weil ich meine Schwester begleitet habe. Ich gehe aber auch schon sehr lange aus eigenem Interesse auf die FrankenMEXX in meiner Heimatstadt Nürnberg. Meine Schwester hat mich schon früh unterstützt und passend eingekleidet. Für mich habe ich dann immer wieder gecosplayed, aber auf Conventions bin ich erstmal nicht gegangen. Ab 2022 habe ich das mehr gemacht und verfolge das Cosplayen seitdem ernster. Das liegt daran, dass Technoblade in dieser Zeit an Krebs gestorben ist und ich auf einer Convention Gleichgesinnte finden und ins Gespräch kommen wollte. Meine Mama hat mir dazu geraten, weil sie gemerkt hat, dass ich traurig war und wusste, dass ich dort Spaß haben werde. Auf der Convention habe ich mich mit jemandem angefreundet, der sich als ein Charakter aus Dream SMP verkleidet hat und dann habe ich das weiter verfolgt.

Was kann man alles cosplayen?
An sich kannst du alles cosplayen: Figuren aus Büchern, Animes, Videospielen, Serien, Filmen, Mangas. Es gibt auch Leute, die cosplayen Menschen aus dem echten Leben. Ich sehe beispielsweise oft Drag-Outfits zu Joost Klein aus dem diesjährigen Eurovision Song Contest. Da leben sich manche richtig aus mit aufwändigem Drag-Make-up und dem blauen Anzug mit den spitzen Schultern.

Wie viele Kostüme hast du?
Momentan arbeite ich an einem Spiderman-Suit in Anlehnung an den Far From Home-Teil. Den erstelle ich selber aus Spandex und das ist eine ganz schöne Herausforderung, weil ich vorher noch nie damit gearbeitet habe. Aber ich bin hoffnungsvoll und glaube an den Prozess. Fertige Kostüme habe ich von den Charakteren Karl Jacobs, TommyInnit, Quackity und Technoblade aus dem Dream SMP und für Technoblade einige Waffen wie beispielsweise eine Armbrust. In Zukunft möchte ich noch etwas von der Dream SMP-Welt weggehen und andere Charaktere cosplayen. Da habe ich gerade Marvel-Charaktere im Blick und ich möchte jemanden aus dem Videospiel, genauer gesagt Storytelling Game, Detroit: Become Human cosplayen.

Yons Kostüme (hier von Karl Jacobs aus dem Dream SMP) sind detailverliebt.
Als TommyInnit mit aufwendigen Make-up.

Wie teuer kann ein Kostüm werden?
Das kommt darauf an, ob es fertige, gekaufte Cosplays sind. Dann kommen sie auf Preise zwischen 90 und 150 Euro. Perücken können ungestyled alleine schon bei 20 bis 100 Euro liegen – je nachdem, was für eine Art man nimmt. Beispielsweise sind Echthaar-Perücken teurer, aber die verwendet für Cosplay kaum jemand, weil sie schwerer zu stylen sind.
Wenn ein Cosplay-Kostüm selbst hergestellt ist, können die Kosten sehr variieren. Für detaillierte Cosplays können die Ausgaben über 750 Euro betragen. Beispielsweise hat mich mein selbstgemachter Spiderman-Anzug ungefähr 80 Euro gekostet. Das waren 30 Euro für das Schnittmuster und 50 Euro für das Bedrucken des Stoffes. Für mein Technoblade-Kostüm habe ich ungefähr 150 bis 200 Euro ausgegeben – da hat der Stoff für die verschiedenen Capes alleine schon 80 Euro gekostet.
Aber Cosplay muss nicht teuer sein! So genannte „Closet Cosplays”, also Cosplays, die aus Dingen bestehen, die man schon besitzt, kosten beispielsweise deutlich weniger. Die würde ich auf 20 bis 30 Euro schätzen – so viel hat beispielsweise mein Karl Jacobs-Kostüm gekostet.

Das ist so schön, die anderen Kostüme zu sehen, bei Wettbewerben vor Ort mitzumachen und mit Freund*innen abzuhängen.

Bei einer endlosen Auswahl an Optionen für das nächste Kostüm kann die Entscheidung schwerfallen. Wie wählst du das nächste aus?
Das ist echt nicht leicht. Freund*innen von mir cosplayen, weil ihnen das Design des Charakters gefällt, aber ich entscheide mich für eine Figur nur dann, wenn sie mir zu 100 Prozent gefällt. Wenn ich einen Charakter liebe, dann stecke ich viel Arbeit und Zeit in das Kostüm – das ist mein Anspruch. Beispielsweise habe ich an meinem Technoblade-Kostüm seit 2022 gearbeitet und erstelle jetzt noch neue Waffen.

Dauert das Basteln an einem neuen Kostüm immer so lange?
Das kann total variieren. Ich kenne viele Leute, die sich drei, vier Monate für ein Kostüm nehmen. Wenn die Kostüme so aufwändig und größer sind wie mein Technoblade-Kostüm – beispielsweise sogenannte „Full Armour“-Kostüme, also Verkleidungen mit allen Details und der gesamten Palette an Waffen, kann das mehrere Jahre beanspruchen.
Außerdem hängt das davon ab, mit welchen Materialien man arbeitet. Beispielsweise habe ich für einen Dreizack EVA-Foam verwendet. Das dauert dann länger, weil man alles per Hand ausschneiden muss, wenn man keinen Lasercutter hat. Mit einem 3D-Drucker geht es natürlich schneller, weil man während des Druckvorgangs an den nächsten Sachen weiterarbeiten kann.

Info: EVA-Foam ist ein Schaumstoff, der flexibler ist als andere Kunststoffe. Er ist durch Hitze verformbar und im Vergleich besonders leicht.

Das scheint, als könnte viel deiner Freizeit „draufgehen“ für Cosplay?
Ja! Ich mache gerade noch eine Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondent auf Deutsch, Englisch und Chinesisch. Da bleibt nicht so viel freie Zeit, weil ich nebenher mehrere Sprachen lernen muss – gleichzeitig. Wenn ich weiß, dass ich an einem Wochenende nicht viel zu tun habe, setze ich mich direkt an einen Tisch in meinem Zimmer oder vor den Lasercutter und arbeite an Kostümen oder ich gestalte Details. Cosplay ist sehr vielseitig. Man kann viele Fertigkeiten und Fähigkeiten für die Kostümherstellung einsetzen. Beispielsweise Perücken-Styling, Make-up, 3D-Drucken, Lasercutting, Nähen, Fotografie, Videobearbeitung und vieles mehr – und natürlich Basteln mit diversen Materialien wie Resin, das ich für Smaragde verwende.

Info: Resin (englisch „Harz”) bezeichnet Gießharz. Es wird durch die Dehydrierung von Naturharzen gewonnen. Seine lichtempfindlichen Eigenschaften erlauben es, das Material in gewünschte Formen zu gießen und mittels UV-Licht sofort auszuhärten.

Achtet man mit der Zeit dann sehr auf die Details bei Kostümen von anderen? Wie kritisch bist du da?
Ich achte nicht intensiv darauf. Jedes Cosplay ist cool! Man hat sich Mühe gegeben, ob detailreich oder nicht. Auch, wenn es gekaufte Kostüme sind, kann man noch Arbeit in die Präsentation stecken, beispielsweise bei der Perücke oder dem Make-up. Wenn ich Cosplays sehe von Charakteren, die ich mag, dann achte ich schon auf die Details. Aber da freue ich mich einfach darüber, wenn manche Details eingearbeitet wurden. Nach Fehlern suchen würde ich da nie.

Wie ist denn die Stimmung in der Szene generell?
Ich merke immer wieder, dass sich alle unter die Arme greifen. Wenn ich in meine Cosplay-Freundesgruppe schreibe, ob mir jemand Tipps für den Umgang mit einem Material geben kann, dann wird mir direkt geholfen. Für das 3D-Drucken gibt es beispielsweise Apps, die Dateien zum Drucken sammeln, und es werden auf Social Media Schnittmuster gesammelt und Tutorials hochgeladen. Das sind einfach super schöne Seiten am Cosplay.

Was sind denn weniger schöne Momente, die du mit Cosplay verbindest?
Da muss ich an einige negative Erfahrungen denken. Die haben oft mit Reaktionen von Fremden zu tun. Zwar gibt es auch einige, die im Vorbeigehen Komplimente machen, aber man erlebt auch das Gegenteil: In Frankfurt wurde ich am Bahnhof vor zwei Jahren neben den Gleisen angerempelt und gestoßen und es wurden unschöne Sachen hinterhergerufen. Im gleichen Jahr hat meine Freundinnen und mich in Coburg jemand angesprochen und uns gedroht, als wir im Cosplay auf dem Heimweg waren. Das kann schon Angst machen. In Nürnberg ist es zum Glück etwas anders, da bin ich am Hauptbahnhof schon mit meinem Kostüm inklusive Axt rumgelaufen und da hat mich nicht mal jemand irritiert angeschaut.

Wieder zu den schönen Seiten des Hobbys: Was bringt dir die meiste Freude innerhalb der Szene?
Das Allerschönste ist, mit Freundinnen Neues zu erleben. Vergangenes Jahr bin ich mit Freundinnen für eine Convention in die Niederlande gefahren. Das war sehr schön, unterwegs zu sein und Freundinnen, die ich aus dem Cosplay kenne, in unterschiedlichen Orten und Ländern wiederzutreffen. Ich muss nie alleine auf einer Convention sein, weil ich immer jemanden finde oder schon kenne.

Wie fühlst du dich auf Conventions in deinem Kostüm?
Das hängt davon ab, ob ich meine Kamera dabei habe und Videos mache – dann sehe ich zum Beispiel: Oh, mein Make-up sieht richtig gut aus. Oder: Wow, ich habe das Licht heute super eingestellt. Dann fühle ich mich selbstbewusster und freue mich, dass ich auf den Videos gut aussehe. Wenn es wärmer ist an der Convention, wie es beispielsweise im Juni in Bamberg der Fall war, dann ist das anstrengend. Aber die Freude überwiegt. Das ist so schön, die anderen Kostüme zu sehen, bei Wettbewerben vor Ort mitzumachen und mit Freund*innen abzuhängen – besonders, wenn man sich nicht oft sieht. Das fühlt sich cool an und macht Spaß!

Yon (re.) als Gwen Stacy aus Across the Spiderverse mit einem Freund als Spider-Man (li.)

Welche Videos drehst du dann?
Ich filme TikToks, aber ich möchte bald auch mit YouTube anfangen. Ich würde gerne auf Conventions vloggen, aber das ist mit dem Equipment etwas umständlich im Kostüm. Aber ich bleibe dran. Mir geht es dabei vor allem darum, dass ich für mich und meine Freundinnen festhalte, wie schön die Convention war. Neben dem Stress vor Ort, wegen des Wetters oder weil man auf sein Kostüm achten muss, vergisst man das manchmal. Viele meiner Freundinnen fotografieren an den Events – das ist total cool. Ich probiere mich auch etwas an der Fotografie, dafür sind die Conventions perfekt.

Wann ist das nächste Cosplay-Treffen oder die nächste Messe, etc.?
Im September ist die Connichi in Wiesbaden. Und ich freue mich schon auf die Dutch Comic Con im November!

Die Autorin:
Kim Becker
(sie/ihr) ist Fan von Eurovision Song Contest, Kreuzworträtseln und Kakao.

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