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Ausgabe 1

Platz da, Großer!

Männern auch mal Blumen schenken oder ihnen auf der Straße nicht mehr ausweichen. Auf TikTok und Instagram sprechen große Influencerinnen und private Accounts aktuell häufig über den sogenannten Mikrofeminismus. Aber worum geht es dabei? Und wieso sind FLINTA Fan davon?

Foto: British library via flickr

Mikrofeminismus bezeichnet kleine feministische Gesten oder Verhaltensweisen im Alltag, die FLINTA* (Akronym für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen und weitere Variationen der Geschlechtervielfalt) nutzen können, um, mal mehr, mal weniger subtil auf bestehende Vorurteile oder Ungerechtigkeiten hinzuweisen. Die Gesten können sich in der Sprache widerspiegeln, aber auch konkrete Handlungen umfassen. Dadurch sollen diskriminierende Strukturen und Rollenbilder im Alltag zunächst sichtbar gemacht und anschließend hinterfragt werden. Gleichzeitig kann er für FLINTA* aber auch ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und Solidarität erzeugen und gegen die Ohnmacht helfen, die sich in der Auseinandersetzung mit Sexismus einstellen kann. Und manchmal reicht dafür einfach schon ein verdutzter Blick des Gegenübers, der für ein kleines Erfolgserlebnis sorgen kann.

Wem würdest du lieber allein im Wald begegnen: einem Mann oder einem Bären?

Mikrofeministische Aktionen können spielerisch sein, zum Beispiel wenn eine Frau* einem Mann die Tür aufhält und nicht andersherum. Aber er kann auch konfrontativ sein, wenn Frauen* Männer beispielsweise darauf hinweisen, dass sie ihnen ständig ins Wort fallen. „Mikrofeminismus, Feminismus generell, kann für die ein oder andere Person vielleicht unbequem sein, aber genau das soll er ja.“ So fasst es Silvi Carlsson, eine deutsche Content-Creatorin, in einem ihrer Reels auf Instagram zusammen.
Wie wirkungsvoll Mikrofeminismus letztendlich ist, ist bislang wissenschaftlich noch nicht geklärt. Aber auch, wenn Mikrofeminismus nicht dazu führt, den Gender Pay Gap oder Gender Care Gap zu schließen, kann er trotzdem wichtige Denkanstöße geben und für Menschen, die von sexistischen und patriarchalen Diskriminierungsstrukturen betroffen sind, für kleine Jubelmomente sorgen.

„Gerade so alltägliche Sachen können dazu führen, Gedankengänge nachhaltig zu verändern. Beispielsweise weiche ich männlich gelesenen Personen nicht mehr aus, nur weil ich weiblich gelesen bin. Ich habe mich nicht zu „unterwerfen“. Vom generischen Femininum als Mikrofeminismus halte ich aber zum Beispiel herzlich wenig, weil das nicht-binäre Personen weiter ausschließt.“ Lea, 23

„In der Bahn mache ich immer Womanspreading – ich nehme mir meinen Platz.“ Celine, 27

„Ich weiche Männern auf dem Gehweg nicht mehr per se aus.“ Stella, 30

„Wenn ich mich mit meinen Freund*innen fertig mache, um auszugehen, biete ich auch ganz selbstverständlich meinen männlichen Freunden an, ihnen die Nägel zu lackieren oder sie zu schminken.“ Sophia, 26

„Ich versuche, das sprachlich mehr im Alltag umzusetzen. Zum Beispiel habe ich bei der Europameisterschaft dieses Jahr immer Männer-EM gesagt, und nicht nur EM. So etwas gibt mir das Gefühl von Selbstwirksamkeit, ohne große Grundsatzdiskussionen anzufangen.“ Katharina, 23

„Ich arbeite in der Gastronomie. Wenn ich Getränke an den Tisch bringe und vorher nicht weiß, wer was bestellt hat, stelle ich das Bier immer bei den Frauen hin.“ Ina, 19

Die Autorin:
Katharina Kitt
(sie/ihr) ist Fan von koffeinfreiem Kaffee, Spotify-Smart-Shuffle und Sommerabenden am See mit Eis.

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